"Mein Freund und ich heiraten bald!! Wir wollen den Tag der kirchlichen Trauung natürlich schön festhalten. Wir möchten gerne Fotos in der Kirche haben, dann im Anschluss Fotos von uns und Familie, gerne danach noch zur Lokalität. Sagen wir mal 5 Stunden plus dann Foto-CD mit den Originaldaten. Habe ein Angebot hier aus der Stadt für 680 Euro!!! Habt Ihr ähnlich viel bezahlt???????????"
Diese Frage habe ich vor Kurzem in einem Forum gefunden. Dieser teure Fotograf verlangt für 5 Stunden tatsächlich 680€?? Geht gar nicht, oder? Aber warum sind wir Fotografen so teuer? Wollen wir etwa unseren armen ahnungslosen Kunden das Geld aus der Tasche ziehen, dafür, dass wir einfach nur ein paar Mal auf den Auslöser drücken? Haben wir sie noch alle?
Dieses "auf den Auslöser drücken" ist tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs, die Arbeit, die ihr seht. Sie macht den kleinsten Teil unserer Arbeit aus (das ist wirklich so!). Aber fangen wir einfach mal ganz von vorne an. Ich bin natürlich keine Hochzeitsfotografin, ich bin Frauenfotografin und selbst ich höre immer wieder, dass manche sich meine Shootings nicht leisten können oder (und das ist öfter der Fall) nicht wollen. Und das liegt oft daran, dass viele gar nicht wissen, wie viel Arbeit und Zeit in meinen Shootings steckt (von dem Herzblut mal abgesehen).
Wie viel Arbeit steckt also in einem meiner Shootings?
- 1 Stunde Kontakt (Mailverkehr, Telefonat) nach eurer Anfrage
- 1 Stunde Angebotserstellung, Rücksprache mit euch, Erfassung eurer Daten, Terminfindung
- 2-3 Stunden Locationcheck und Ideen sammeln (damit das Shooting auch individuell zu euch passt)
- 4 Stunden Fotoshooting inkl. Styling (das ist das, was ihr seht)
- 1,5 Stunden Daten auf PC übertragen, in Bildbearbeitungsprogramm importieren, Backup, Bilder sichten
- 1,5 Stunden Vorauswahl erstellen und sortieren
- Bearbeitung der Bilder (ca. 30 Minuten pro Bild)
- 1,5 Stunden Bilder im Fotolabor bestellen, auf USB-Stick packen, Rechnung schreiben, Bilder verpacken
so, damit sind wir bei einem Shooting mit 20 Bildern bei insgesamt 30 Stunden Arbeit, von denen 4 Stunden Shooting waren (das sind 13% der Zeit!)
Wenn wir jetzt also mal von einem Shootingpreis von 600€ ausgehen, von dem noch Kosten für Styling abgehen, dann ist das ein Stundenlohn von 15,30€.
Wenn ich, wie viele andere Fotografen, eine Familie habe, vielleicht ein Kind, um das ich mich kümmere, dann kann ich auch nicht 15 Stunden am Tag arbeiten. Also brauche ich für ein Shooting Minimum drei Arbeitstage, eher drei. Aber meine Arbeitstage bestehen auch noch aus Marketing und anderen Dingen, die in einem Unternehmen anfallen.
Effektiv kann man mit Kindern vielleicht 8 Shootings im Monat machen, vielleicht sogar 10, ich gehe mal von 8 aus. Im Winter ist es gerade bei manchen Fotografen, die nur Outdoor fotografieren, eher ruhiger, also kann man hier gut zwei Monate Einnahmen abziehen. Aber wir tun mal so, als wären wir das ganze Jahr gut ausgebucht.
Bei 8 Shootings komme ich bei diesem Preis auf 4.800€ Umsatz im Monat, macht 57.600€ Umsatz im Jahr. Nach Abzug von Steuern hat man dann etwa 45.000€ brutto raus und davon gehen dann noch die Krankenkasse und Altersvorsorge ab und man landet - schwupps - bei 29.500€
Und was muss ich davon bezahlen?
- Fotoequipment im Wert von 5.000€
- die vielen individuellen Kleider und Kostüme, die ich euch für Shootings zur Verfügung stelle
- einen schnellen Rechner mit einem kalibrierten Monitor, Festplatten für Backups
- Bildbearbeitungssoftware, Software zur Buchhaltung
- Steuern
- Abgaben an Kammern
- Auto
- Krankenversicherung
- mein Leben (private Wohnung, Lebensmittel usw.)
Meine Excel-Tabelle ist tatsächlich noch deutlich länger, aber das sind die Hauptdinge, die ich damit bezahle und ein ganz wesentlicher Punkt finde ich, ist der Letzte. Ich muss davon leben! Und jetzt denkt mal an die Fotografen, die für ein Shooting 100, 200 oder 250€ verlangen...
Okay zugegeben, das Bild ist etwas übertrieben 😀 Aber manchmal ist einem echt so zumute, wenn Kunden kommen und für ein aufwändiges Fotoshooting, in dem so viel Arbeit und Liebe steckt, nicht mal 100€ zahlen möchten.
Aber das hier soll kein Jammer-Post sein. Es geht mir gar nicht darum zu schimpfen. Mir geht es darum all denjenigen, die einen Fotografen buchen möchten, die Augen zu öffnen.
War's das?
Nein, leider noch nicht. Bis hierhin haben wir nur über die nackten Zahlen gesprochen. Worüber wir nicht gesprochen haben ist die kreative Leistung eines Fotografen. Denn Fotos sind nicht gleich Fotos. Ein Fotograf, der den ganzen Tag nur Passbilder macht hat eine deutlich andere kreative Leistung als jemand, der aufwendige Portraits anfertigt und Kunden verwandelt. Und das ist etwas, das eigentlich doch auch honoriert werden sollte, oder? Denn diese kreative Leistung kommt von viel Zeit, die in Fortbildung, Ideensammlung und Übung gesteckt worden ist und immer wieder gesteckt wird.
Aber der Fotograf macht es billiger! Warum macht er das denn, wenn es sich nicht rechnet?
Ganz einfach! Er muss entweder nicht davon leben und hat einen Hauptjob, der ihm das Leben sichert und die Krankenkasse bezahlt oder er kann einfach nicht rechnen! Solche Fotografen werden sich auch nicht halten können und recht bald wieder verschwinden oder sie arbeiten sich tot und ihr Privatleben leidet darunter.
Und die Moral von der Geschicht'...
Wenn ihr also selbst einen Fotografen buchen möchtet, dann denkt an die Arbeit die er hat, die Familie, die er davon ernähren muss und für die er auch noch Zeit haben möchte. Wenn ihr Freunde habt, die sich über den teuren Fotografen beschweren, zeigt ihnen diesen Blogeintrag. Ich hoffe sehr, ich konnte euch einen Einblick darin geben, dass "teuer" sehr relativ ist und ihr der Arbeit von uns Fotografen nun mehr Wertschätzung entgegenbringen könnt. Denn wir machen das für euch, für eure Erinnerungen, für euer Erlebnis und für den ganz besonderen Service, den wir euch bieten möchten.
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